Begegnung

Menschen in der Menge,
Menschen im Gedränge,
stumpf vorübergehn,
ohne sich zu sehn.

Bis dort auf den Einen,
der, so will mir scheinen,
freudig überrascht,
meinen Blick erhascht.

Seltsames Erkennen,
kann's noch nicht benennen,
Schönheit, die berührt,
Lächeln, das verführt.

Kommt mir rasch entgegen,
sicher und verwegen
setzt er Fuss vor Fuss,
hebt die Hand zum Gruss.

Und mein Herz schlägt schneller,
sein Gesicht strahlt heller,
träge dehnt die Zeit
sich zur Ewigkeit.

Jetzt nur noch drei Meter,
fast unmerklich dreht er
seinen Schritt und weicht
aus und schwebt ganz leicht

rechts an mir vorbei.
Trugbild bricht entzwei,
küsst der Kavalier
die Frau hinter mir.


Herbst

Windbrausiger Herbst!
Warmtönig verfärbst
du das Grün, das schwächelt,
melancholisch lächelt,
traurig schönes Wetter.
Igel werden fetter,
machen sich bereit,
bald ist Schlafenszeit.

Eichhörnchen behände
rascheln durchs Gelände,
hektisch Nüsse sammeln,
die sonst feucht vergammeln.

Schwalben längst schon fort,
ohne Abschiedswort.

Windbrausiger Herbst!
Gelb und rot verfärbst
du das Laub, das müde,
reisst's dann runter rüde,
wie ein Maler, der
schätzt sein Werk nicht mehr.

Blätter gelb und rot
liegen da wie tot.

Doch das Rot und Gelbe,
ist es noch das Selbe?
steigt nur kurz darauf
hoch zum Himmel auf.
Und ein kleines Mädchen
hält's an einem Fädchen,
freut sich an dem Drachen,
unbändiges Lachen.


Schwalben

Ich sitze am Tisch, das Fenster steht offen, 
lese die Zeitung und fühl mich betroffen. 
Die Welt ist ein tiefes Jammertal, 
das liest und hört man jetzt überall; 
Krise und Terror und Krieg und so 
und Öl im Golf von Mexiko. 

Da höre ich draussen einen Schrei 
und pfeilschnell flitzt eine Schwalbe vorbei, 
gefolgt von 'ner zweiten und im Nu 
kommt noch ein halbes Dutzend dazu. 
Da fühl ich die Kummerpfütze tief innen 
ohne mein Zutun ganz einfach zerrinnen. 

Kann niemals weinen, bitte versteh, 
wenn ich Schwalben jagen seh. 

Es geht dir nicht gut, ich seh es dir an 
und niemand kann da was ändern dran. 
Ich weiss nicht was sagen, drum schweige ich, 
doch lass ich dich sicher nicht im Stich, 
auch wenn mein Blick nun nach oben schweift 
und Freude nach meinem Mitgefühl greift. 

Kann niemals weinen, bitte versteh, 
wenn ich Schwalben jagen seh. 

Der Winter war bitter, der Frühling kalt, 
die Knochen schmerzen, ich fühl mich steinalt, 
mein Kopf und auch mein Konto sind leer 
und Einsamkeit drückt heute schwer. 
Das Leben braucht manchmal ziemlich viel Kraft 
und oft bin ich abends ganz einfach geschafft. 

Dann sitze ich am Fenster und schau 
in dieses absurd klare Himmelblau, 
wo Schwalben in tollkühnem Tempo jagen. 
Wie konnte ich jemals mein Dasein beklagen? 
Kann ihre Leichtigkeit in mir spüren 
und lass mich zu einem Lächeln verführen. 

Möcht niemals weinen, bitte versteh, 
wenn ich Schwalben jagen seh.